Shalhor kann nicht ahnen, dass es nicht nur die Schönheit des Holzes ist, die sie rührt. Auch, aber in erster Linie ist es das Wissen, dass sich jemand Gedanken um sie macht, sich Gedanken darum macht, ob ihr etwas gefallen könnte. Dass er etwas verlegen wird, hätte sie nie für möglich gehalten, aber irgendwie findet sie diese Reaktion rührend, gewährt sie ihr doch einen weiteren Einblick hinter seine beherrschte Fassade, die einen so vielfältigen, tiefgründigen und sensiblen Charakter zu verbergen scheint, Züge, die wohl nur wenige je in allen Facetten zu sehen bekommen oder bekommen haben. Auch sie ist sich sicher nur einen minimalen Teil davon zu Gesicht bekommen zu haben und doch, ob all dem, was er schon erlebt hat, ist es in ihren Augen ein Geschenk.
Den Rest des Tages verbringen sie in der Bibliothek und zwischen den Anproben der Schiene fragt Sigourny Shalhor regelrecht Löcher in den Bauch, ob all der Dinge, die sie in dem Reisebericht entdeckt. Geduldig beantwortet er all ihre Fragen. Als Dar sich nach der letzten Anprobe schließlich verabschiedet, bedankt sie sich auch bei ihm. „Vielen Dank! Und bitte sag Briant und vor allem Tane, dass sie bloß keinen Unsinn machen sollen. Und wenn irgendetwas ist, sollen sie es mich wissen lassen.“ Ihr ist schon etwas unwohl, die ihren allein und schutzlos vor der Grappe zu lassen …. Allerdings, da muss sie allen zähneknirschend recht geben: Ihre Abwesenheit könnte die Aufmerksamkeit vom Pfirsich ablenken. Trübe Gedanken lässt Shalhor aber erst gar nicht aufkommen. Heute ist sie an der Reihe, sich das Abendmahl auszusuchen. Ihre Wahl lässt ihn belustigt die Augenbraun hoch ziehen: warmer Linsensalat mit Hähnchen, Möhren und Äpfeln. Aber so wie sie seinen Fisch und Muscheln versucht hat, wagt er sich über diese doch etwas ungewöhnliche, wenn auch einfache Kreation. „Weißt du, ich liebe Salat in fast allen Varianten.“ vertraut sie ihm an, während sie beim Essen genussvoll ein Karottenstücken aufspießt.
Im Anschluss kommt sie dann noch in den Genuss der Hausführung, wobei er sie erneut nicht selbst gehen lässt, sondern behutsam herumträgt. In der großen Halle setzt er sie auf den Rand des Brunnens. Gedankenverloren fährt sie mit den Fingern über die Wasseroberfläche, auf der die Seerosen ungeachtet des doch schon weit fortgeschrittenen Jahres in voller Blüte treiben. Ihr entgeht keineswegs der Anflug von Melancholie in seiner Stimme, als er ihr erzählt, wie in elbischen Haushalten sich das Leben in solch einer prächtigen Halle abspielen würde. So ähnlich wie die Küche im Pfirsich. Für die Gäste spielt sich das gesamte Treiben in Schankraum beziehungsweise natürlich auch den Zimmern ab, das wahre Herzstück des Hauses ist aber die Küche mit dem riesigen, schon etwas abgenutzten Eichentisch. Auch wenn sie sich kaum je alle gemeinsam dort versammeln, irgendjemand ist immer in der Küche und auf der Anrichte im hinteren Teil steht für die Bewohner immer die eine oder andere Erfrischung und Verköstigung bereit. Ihre Finger gleiten weiter durch das Wasser, als er ihr die beiden Statuen neben der Tür und die beiden Gemälde über den Kaminen erläutert. Auch wenn er es zu verbergen sucht, ein kleiner wehmütiger Unterton ist in seiner Stimme, als er von seiner Frau und seiner Tochter spricht. Sie ist im Gegensatz zu ihm keine Empathin, aber eine Frau mit feinem Gespür für Stimmungen, angeeignet durch die harte Schule des Lebens. Er hat mittlerweile neben ihr Platz genommen und aus einem Impuls heraus fährt sie ihm mit einer sanften Geste übers Gesicht, streicht eine verirrte Haarsträhne aus seiner Stirn. Er muss sich mitunter sehr einsam fühlen! Doch sie spricht diesen Gedanken nicht aus, ist sie sich doch sicher, dass er sich selbst eine solche Schwäche nicht zugestehen will und sie ihr auch nicht zeigen würde … vielleicht irgendwann einmal, doch noch nicht jetzt. Denn seine Stärke und seine Selbstdisziplin ist für ihn so notwendig wie die Luft zum Atmen. „Es ist wunderschön, das alles hier!“ erwidert sie stattdessen. > Und wo Du Dich hier nun besser auskennst, magst Du vielleicht den Platz aussuchen, wo wir beide noch ein Glas Wein vorm zu Bett gehen trinken? <
Nachdenklich legt sie den Kopf schief und tippt mit den Zeigefinger an ihre Lippe, eine unbewusste Geste, die sie immer macht, wenn sie nachdenkt. „Wenn der Fuß nicht wäre, würde ich dich jetzt um einen Spaziergang am Strand bitten. Ich bin es einfach nicht gewohnt, den ganzen Tag mehr oder weniger still zu sitzen. Aber … wäre die Sitzgruppe in deinem Gemach in Ordnung, also im Fensterrund?“ Sie wird bei diesen Worten tatsächlich ein wenig rot, will sie sich ihm doch in keinster Weise aufdrängen. „Ich meine, auch wenn es schon dunkel ist … es ist Vollmond und der Himmel ist klar und … ich würde gern den See sehen, er ist so friedlich.“ >Gern Puh‘! < Und so wird sie die Treppen wieder hinauf getragen und in jenem Sessel abgesetzt, auf dem sie schon in den Morgenstunden gesessen ist. Ihr Fuß wird erneut auf den anderen Stuhl gelegt, mittlerweile pocht darin doch wieder ein dumpfer Schmerz und nur wenige Augenblicke später bringt eine der Mägde eine Karaffe mit Rotwein, zwei Gläser ... und eine Schüssel mit Eiswasser sowie einige Handtücher. >Kalte Wickel werden euch gut tun Madame! < Flugs legt sie ein Handtuch unter den verletzten Knöchel, damit der Stuhl nicht nass wird und wickelt das Gelenk anschließend in eines der Tücher, welches zuvor gründlich eingeweicht wurde. Sigourny schnappt erschrocken nach Luft. Kalt! Aber angenehm, das stimmt. „Vielen Dank!“ Sie schenkt der Frau ein herzliches Lächeln. Die Magd erkundigt sich noch, ob sie noch weitere Wünsche haben, ehe sie den Raum nach einem kurzen Knicks verlässt.
In der Küche wird Adele, denn niemand anderes war auf die Idee gekommen nebst dem Wein auch noch Eiswasser ins Herrengemach zu bringen, vom Rest des Gesindes schon erwartet.
>Und, was ist da oben los? <
>Nichts, sie sitzen am Fenster und trinken Wein. <
>Was hat sie an? <
>Das Kleid von gestern, was sonst? <
>Ich weiß ja nicht, der schwarze Mann hat ja diesen Sack gebracht heute Morgen. Wo hast du den hingetan Jorindel? <
>Neben die Kästen seiner Lordschaft, wo denn sonst hin? <
>Hast du denn nicht hinein geschaut? <
>Götter bewahre nein! Das kann ich nicht. Das wäre seiner Lordschaft bestimmt nicht recht. Ich würde mich sowas nie trauen. Auf was für Ideen kommst du nur? <
>Ich bin mir sicher, da ist noch mehr von der liederlichen Wäsche drinnen, denkt nur an das Hemdchen! <
>Also auf mich wirkt sie sehr freundlich, ich meine …<
>Naives Gänschen, was denkst du denn? Solche sind immer freundlich, das bedeutet gar nichts!<
>Ich weiß nicht, ich denke …<
>Und ich denke, ihr sollte wieder an die Arbeit gehen, Marthe hast du nicht noch Wäsche zum Stopfen? Und Jorindel, in der Bibliothek gehört noch Staub gewischt, jetzt wo seine Lordschaft mit seinem Gast nach oben gegangen ist.<
Mit diesen Worten scheucht Adele die beiden Mägde wieder an die Arbeit. Kopfschütteln sieht sie ihnen nach. Auf sie macht die junge Frau, die seine Lordschaft da ins Haus gebracht hat, auch einen freundlichen Eindruck und passt eigentlich gar nicht in das Bild, das sie sich so von den Damen aus einem Bordell so gemacht hat. Alles sehr seltsam!
Von all dem haben Sigourny und Shalhor natürlich nichts mitbekommen. Der Elb hat sich einen weiteren Stuhl geholt, den er neben ihrem abstellt. Nun sitzen sie nebeneinander, jeder mit einem Glas in der Hand und blicken in vertrauensvollem Schweigen auf den See. Shalhor hat den freien Arm um ihre Schulter gelegt und sie lehnt sich an ihn. Nach und nach kommen die Sterne hervor und über dem Ildoriel steigt der Mond empor. Um die angenehme Kühle, die im Raum herrscht, für die Nacht zu bewahren, wurden keine weiteren Scheite in den Kamin nachgelegt. Als Sigourny fröstelt, legt er ihr das Schultertuch, dass schon seit dem Morgen auf einem der Stühle hängt um ihre Schultern. „Danke Seemann!“ Erneut setzt er sich wieder zu ihr, schenkt Wein nach und prostet ihr zu. Dann genießen sie die Stille und die Nähe des anderen. Sie hat keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, aber irgendwann löst er seinen Griff um ihre Schulter. >Lass uns zu Bett gehen Puh‘. < Sigourny nickt. > Ich bringe deine Sachen hinter den Paravent, dann kannst du dich in Ruhe umziehen. < So folgt sie ihm und als er sie allein lässt, wühlt sie sich durch die Dinge, die Briant ihr geschickt hat. Haarbürste, Nachthemd, alles da. Im Raum hört sie Shalhor rumoren. Kritisch beäugt sie ihre Schulter: Das Blau des Blutergusses verfärbt sich bereits Richtung Violett. Als sie sich umgekleidet hat, bürstet sie noch ihre Haare bis diese sich in einem seidigen Schleier über ihren Rücken ergießen, ehe sie in den Raum zurückkehrt. Eben fällt das Mondlicht durch eines der Fenster, gerade als sie an diese Stelle tritt. Das Licht fällt genau auf sie: Ihr Nachthemd umschmeichelt ihre Figur und ihre langen Beine, ehe es knapp über ihren Füßen endet. Im Gegensatz zu ihrem Hemdchen ist es nicht durchsichtig, sondern aus helllila Badist, der im Mondlicht leicht silbrig glänzt, ebenso wie ihr Haar. Das Oberteil wird von breiten Trägern auf ihren Schultern gehalten, die in einem V-Ausschnitt münden. Obwohl es nicht eng anliegt, zeichnen sich ihre Kurven doch deutlich ab.
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